Ausbildungsgarantie löst die Probleme nicht

Ausbildungsgarantie löst die Probleme nicht

Der Einfall war nicht neu, es ist eher eine Kopie des in Österreich bereits seit acht Jahren praktizierten Modells: Gemeint ist die Ausbildungsgarantie. Da es in Deutschland aber inzwischen überall zur leidigen Gewissheit geworden ist, dass eher inkonsequent und oberflächlich agiert wird, so ist nun auch bei der sog. Ausbildungsgarantie nicht wirklich ein rechtsgültiger Anspruch für alle herausgekommen. Frei nach dem Motto: Alles kann, nichts muss, wird auf Symptom-Bekämpfung abgestellt, mal wieder nicht auf die eigentlichen Ursachen der Ausbildungsdefizite in Deutschland. Dass wir derlei seit vielen Jahren haben, das ist wohl unbestritten. Dass es hier einer ernst gemeinten, konsequenten und auch frühzeitig einsetzenden Berufsorientierung bedarf, das mahnen Fachleute auch schon seit Jahren an. Dennoch setzt man mit dem Modell der sog. Ausbildungsgarantie auf möglichst schnelle Effekte. Nachhaltigkeit und Effizienz werden deutlich außen vor gelassen. 

Eine Ausbildungsgarantie, die keine ist

Der Reihe nach: Am 1. April 2024 startete am hiesigen Arbeitsmarkt das mit viel (theoretischen) Vorschusslorbeeren bedachte Gesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung mit entsprechenden Anpassungen des SGB III in die Umsetzungspraxis, wenn auch vorerst nur teilweise. Seither sollen Agenturen für Arbeit und Jobcenter Praktika zur Berufsorientierung in Betrieben fördern (§ 48a SGB III). Dabei können auch notwendige Kosten, wie zum Beispiel Fahrt- oder Unterkunftskosten für die Teilnehmenden übernommen werden (§73 a SGB III). Intensive Beratung zur Berufsorientierung und Berufswahl sollen ergänzend eingebunden werden. Viel zu spät, sagen Wirtschaftsverbände. Doch deren Kritik wurde nicht gehört.

Der Mobilitätszuschuss soll junge Menschen unterstützen, die bereit sind, für eine betriebliche Berufsausbildung umzuziehen. Mit dem Zuschuss können Auszubildende bis zu zwei Familienheimfahrten pro Monat im ersten Ausbildungsjahr finanziert bekommen.

Als weiteres Element der sog. Ausbildungsgarantie traten neue Regelungen bei der Einstiegsqualifizierung in Kraft (§ 54a SGB III). Diese kann nun in Teilzeit absolviert werden und die Mindestdauer wird von sechs auf vier Monate verkürzt. Damit soll die Nutzung der Möglichkeit deutlich erweitert werden, auch für mehr Menschen mit Behinderungen. 

Ansprüche längst nicht für alle

Zum 1. August 2024 trat schließlich noch die Neuregelung der außerbetrieblichen Berufsausbildung in Kraft (§ 76 SGB III). Das ist der eigentliche Kern der sog Ausbildungsgarantie. Einen Anspruch auf Berufsausbildung haben hiernach alle, die sich 1. nachweislich erfolglos beworben haben, 2. die Berufsberatung in Anspruch genommen haben, 3. von der Agentur für Arbeit nicht vermittelt werden konnten und 4. in einer Region leben, die als unterversorgt gilt, in der es also nicht genug Ausbildungsplätze gibt. Alle 4 Bedingungen müssen erfüllt sein, damit die sog. Ausbildungsgarantie zum rechtsgültigen Anspruch wird. 

Die außerbetriebliche Berufsausbildung wird von Bildungsträgern angeboten, die von der Agentur für Arbeit oder dem Jobcenter dafür beauftragt und bezahlt werden. Der praktische Teil der Berufsausbildung wird entweder in Werkstätten des Bildungsträgers oder in einem Ausbildungsbetrieb absolviert, mit dem der Bildungsträger kooperiert. Der theoretische Teil findet in der Berufsschule statt. Je nach Ausbildungsberuf dauert das Ganze zwischen 2 und 3 1/2 Jahren. Die Ausbildung endet mit einem vollqualifizierenden und formell gleichwertigen Berufsabschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf. Während der Ausbildung erhält man eine Ausbildungsvergütung und ist sozialversichert. Der Wechsel in eine betriebliche Ausbildung ist und bleibt aber das eigentliche Ziel der Maßnahme.

Keine wirkliche Reform des Ausbildungsmarktes

Laut Berufsbildungsbericht der Bundesregierung vom 8. Mai 2024, blieben im Berichtsjahr 2023 rund 73.400 Ausbildungsstellen unbesetzt – also rund 13,4 Prozent des gesamten betrieblichen Angebots. Ein neuer Höchstwert. Gleichzeitig hatten etwa 63.700 junge Menschen zum Stichtag 30.09. noch keinen Ausbildungsplatz gefunden und hielten deshalb ihren Vermittlungswunsch weiter aufrecht. 11,5 Prozent der Jugendlichen blieben somit bei ihrer Suche nach einem Ausbildungsplatz erfolglos. 

Hätten also die Fakten bei der Entscheidungsfindung eine größere Rolle gespielt und wären die Stimmen aus der betrieblichen Praxis nicht so deutlich überhört worden, dann hätte es die sog. Ausbildungsgarantie nicht gebraucht. Es gibt eben gerade kein Versorgungsproblem, welches mit einer Ausbildungsgarantie zu lösen wäre. Um mehr junge Menschen in Ausbildung zu bringen, braucht es vielmehr effektive Maßnahmen, um Unternehmen und Bewerber zusammenzubringen und junge Menschen auch von weniger bekannten Berufen zu überzeugen. Ausbildung muss sich viel mehr als bisher am Bedarf des Marktes orientieren. 

Die frühzeitige Berufsorientierung ist der Schlüssel zu besseren Ausbildungszahlen. Eine solche muss allerdings auch ernstgemeint und an den Bedarfen beider Seiten orientiert sein. Neigungen, Talente und Interessenschwerpunkte lassen sich in der Schule sehr schnell erkennen und fördern. Dies muss spätestens ab Klassenstufe 7 auch mit beruflichen Perspektiven kombiniert werden. Bereits dann muss die Kontaktaufnahme in die Praxis einsetzen und kontinuierlich fortgeführt werden. 

Wozu gibt es die aufwendig kreierten Jugendberufsagenturen und Berufsinformationszentren, wenn diese nur sporadisch und für die Schülerinnen und Schüler deutlich zu spät frequentiert werden. Hier bräuchte es eine echte Reform des Ausbildungsmarktes. Die sog. Ausbildungsgarantie setzt deutlich zu spät an und wird das Grundproblem leider nicht lösen. 

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