Rechtsanspruch auf Homeoffice?

Homeoffice-Pflicht mit vielen Ausnahmen

Rechtsanspruch auf Homeoffice?

Sobald Politiker über den vermeintlichen Fachkräftemangel in Deutschland sprechen, offenbart sich eine erschreckend anmutende Unkenntnis. Statt tatsächlich brachliegende Ressourcen an potenziellen Arbeitskräften zu heben, sollen immer neue Regeln ein Mehr an Arbeit produzieren. So wird auch immer mal wieder ein Rechtsanspruch auf Homeoffice ins Spiel gebracht, zuletzt vor allem von Bündnis 90/ Die Grünen.

Dabei war und ist die Regulierung der Arbeit im Homeoffice seit langem politisch beim Arbeitsminister verortet. Zu gern hätte aber auch dieser schon in der letzten Legislaturperiode für alle Arbeitnehmer einen gesetzlich verbrieften Anspruch durchgesetzt. Doch damit scheiterte er kläglich am Widerstand der CDU. Ohnehin hielt sich die Euphorie darüber schon damals in Grenzen. Das Projekt der SPD schien am Willen der Arbeitnehmer vorbei zu zielen. Doch das ficht Politiker von heute noch lange nicht an. Auch im neuen Koalitionsvertrag ist der Anspruch auf Homeoffice ein Thema. Nun soll das Ganze noch einmal aus der Schublade geholt werden.

Irgendwie verspürt man bei dieser Thematik anhaltenden Rückenwind. Hat doch die Corona-Pandemie inzwischen so einiges auf den Kopf gestellt und dabei bisherige Tabus aufgeweicht. Auch für das Homeoffice war nun plötzlich der Weg offen, wenn auch nur in der Light-Version und zeitlich begrenzt.

Kann man auf Homeoffice bestehen?

Zu dieser Frage hat das Landesarbeitsgericht in Köln eine interessante Entscheidung gefällt und eine Begründung geliefert, die die gegenwärtige Rechtslage zweifelsfrei abbildet (LAG Köln, Az. 3 Sa 540/21). Dort verlangte eine schwerbehinderten Arbeitnehmerin, nur noch im Homeoffice beschäftigt zu werden. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Verfassung war sie nicht mehr dazu in der Lage, täglich in der Betriebsstätte zur Arbeit zu erscheinen und ihr drohte deshalb die Arbeitslosigkeit. 

Doch für ihr Ansinnen sah das Gericht keine Anspruchsgrundlage. Weder sei dem Arbeitgeber eine derartige Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß § 241 Absatz 2 BGB aufzuerlegen, noch sei er grundsätzlich verpflichtet, unverhältnismäßig hohe Aufwendungen zur Schaffung entsprechender Arbeitsbedingungen zu tätigen.

Ein Anspruch auf eine Tätigkeit aus dem Homeoffice wäre nur dann denkbar, wenn der Arbeitgeber schon über ein entsprechendes Tätigkeits-Modell verfügen würde, was er auch betrieblich etabliert hätte. Lediglich in derlei Konstellationen kann der Arbeitgeber bisher aus dem Gesichtspunkt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes verpflichtet sein, bestimmten Mitarbeitern die Teilhabe an einem solchen Modell zu ermöglichen. 

Ungelöste Fragen zur Ausgestaltung

Darüber hinaus sind auch immer noch wichtige Regeln zur Ausgestaltung der Arbeit im Homeoffice offen. In erster Linie dürfte die Arbeitszeit Fragen aufwerfen. Der Arbeitgeber muss sich darauf verlassen können, dass die vereinbarte Leistung vollumfänglich erbracht wird. Er müsste trotz räumlicher Distanz aber auch auf die Beachtung des Arbeitszeitgesetzes pochen. Doch wer will und kann das kontrollieren, wenn motivierte Arbeitnehmer am heimischen Computer die Sache zeitlich übertreiben. Der Ausdehnung täglicher Beanspruchung sind keine wirksamen Grenzen gesetzt. Vielmehr kann es zu einer völligen Auflösung der Grenzen zwischen Arbeitszeit und deren Unterbrechung führen. Das ist nicht das, was die gewerkschaftsorientierte SPD bisher begrüßte.

Den Arbeitgeber trifft auch bei der Arbeit im Homeoffice die volle Fürsorgepflicht und Verantwortung für Sicherheit und Gesundheit der betreffenden Mitarbeiter. Doch um den Anforderungen der Privatsphäre gerecht zu werden, beschränkt sich die Arbeitsstätten-Verordnung (ArbStättV) bis heute nur darauf, dass lediglich die grundlegenden Anforderungen für Bildschirmarbeitsplätze erfüllt sein müssen.

Risiken bei Haftung und Finanzierung

Diese sogenannten Telearbeitsplätze nach § 3 ArbStättV unterliegen nur einer Gefährdungsbeurteilung bei erstmaliger Begehung und Unterweisung. Das hat zur Folge, dass etwaige Unfälle im Homeoffice nur dann als Arbeitsunfall gelten, soweit sie am räumlich eng begrenzten Telearbeitsplatz geschehen. Das Risiko bleibt überwiegend privat und wäre somit auch auf eigene Kosten abzusichern.

Ein Rechtsanspruch auf diese Form der Beschäftigung würde selbstverständlich auch die bisherige, vorwiegend auf freiwilliger Basis beruhende Frage der Ausstattungsfinanzierung aufwerfen. Gesetzlich kann man den Arbeitgeber schlecht verpflichten, diesen Part zwingend zu übernehmen. 

In Anbetracht der alten Haftungsrisiken sind manche Arbeitgeber schon lange kreativ: Sie ordnen statt des Homeoffice ein Mobile-Office an und stellen dem Arbeitnehmer damit ins Belieben, von wo aus er arbeiten möchte. Insoweit trägt dieser auch alle dann auftretenden Probleme selbst. Wer will es wem verdenken?

Grenzüberschreitung der Politik?

Doch die wiederholten Versuche der Politik greifen in ein System ein, dessen Regeln im Grundsatz fest verankert sind: Die Vertragsfreiheit wird in Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz garantiert. Der Eingriff des Staates an dieser Stelle begegnet gravierenden verfassungsrechtlichen Bedenken. 

Die Tätigkeit im Homeoffice verlangt von beiden Seiten Verlässlichkeit und Vertrauen. Ansonsten geht eine solche Vereinbarung recht schnell nach hinten los. Deshalb kann man es ruhigen Gewissens weiter den Vertragsparteien überlassen, derartige Absprachen inhaltlich und auch grundsätzlich zu regeln. Entscheidungen der Gerichte untermauern dies in ständiger Rechtsprechung.

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