Halbwahrheiten beim Thema Ausbildungsvergütung
Nachrichten beeinflussen unser tägliches Leben. Die Qualität dieser Nachrichten ist es aber, die über Sinn und Unsinn der Beeinflussung entscheidet. Neben umfänglich und seriös recherchierten Informationen, gibt es eine ständig wachsende Flut sogenannter Fake-News. Doch damit ist die Bandbreite noch längst nicht abgedeckt. Den wohl größten Umfang täglicher Nachrichtenflut nehmen ohne Zweifel die Halbwahrheiten ein. Sie sind bekanntlich keine Lügen. Vielmehr bilden Halbwahrheiten entweder ein Gemisch aus wahren und unwahren Anteilen oder sie bestehen aus wahren Informationen, denen wesentliche Aspekte durch bewusste Auslassung fehlen.
Mit solchen Halbwahrheiten haben wir es zum Beispiel immer noch zu tun, wenn es ums Thema Ausbildungsvergütung in den Gesundheitsberufen geht. Noch vor wenigen Jahren kannten nur Insider die Problematik. Seither ist darüber soviel geschrieben und gesagt worden, dass es eher dem thematischen Wirrwarr zuträglich war.
Halbwahrheiten verkürzen die Fakten
Nachschub erhielten die bisherigen Halbwahrheiten, als der Durchbruch bei den Verhandlungen zur Ausbildungsvergütung in den Gesundheitsberufen verkündet wurde. Danach erhalten nun Tausende Auszubildende eine Vergütung während ihrer Ausbildungszeit. Bei der Personengruppe handelt es sich um angehende Diätassistenten, Ergotherapeuten, Logopäden, medizinisch-technische Assistenten, Podologen sowie Orthoptisten.
Soweit ist an der Darstellung nichts auszusetzen. Wer die Darstellungen dazu jedoch sachgerecht betrachtet, dem wird schnell klar, dass es hier lediglich um einen Tarifabschluss geht. In der Tat wird ganz am Rande auch erwähnt, dass diese Vergütung für die Azubis mit der Tarifgemeinschaft der Länder und der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände ausgehandelt worden ist. Somit können aber längst nicht alle Azubis in den Gesundheitsberufen auch mit den Vergütungen rechnen.
Bekanntlich werden Tarifabschlüsse regelmäßig nur zwischen Tarifparteien gültig. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer oder eben Azubis müssen einer Tarifpartei angehören. Das ist im Gesundheitsbereich so nicht flächendeckend gegeben. Lediglich die Universitätskliniken und viele kommunale Krankenhäuser sind hier arbeitgeberseitig involviert. Von der vereinbarten Ausbildungsvergütung profitieren auch in naher Zukunft lediglich die dortigen Azubis. Von den bundesweit mehr als 50.000 Schülerinnen und Schülern in den elf gängigsten Gesundheitsfachberufen haben zuletzt nur rund 11 Prozent eine Ausbildungsvergütung erhalten. Die übrigen 89 Prozent gehen bei der Ausbildungsvergütung weiterhin leer aus.
Finanzielle Belastung bleibt immer noch groß
Die große Zahl der Azubis in den Berufsfeldern der medizinischen Fachangestellten, zahnmedizinischen Fachangestellten und tiermedizinischen Fachangestellten, immerhin knapp 30.000 bundesweit, findet hierbei überhaupt keine Berücksichtigung.
Das Gros zukünftiger Beschäftigter im deutschen Gesundheitswesen erhält demnach während der Ausbildung keine finanzielle Unterstützung. Das betrifft in erster Linie die Kliniken, Praxen und Einrichtungen in privater Trägerschaft und auch die schulische Berufsausbildung bei privaten Bildungsträgern. Damit schrumpft diese Jubelmeldung zusammen, denn sie betrifft lediglich einen kleinen Teil der erwähnten Klientel.
Noch deutlicher wird die Thematik der Halbwahrheiten am Beispiel des leidigen Schulgeldes. In Anbetracht der Fachkräftesituation in Gesundheit und Pflege, haben sich viele Bundesländer inzwischen durchgerungen, das Schulgeld mittels staatlicher Zuschüsse teilweise oder komplett zu übernehmen. Zuletzt hatte Nordrhein-Westfalen rückwirkend diesen Schritt unternommen. Doch längst ist das noch keine Selbstverständlichkeit in Deutschland. In Thüringen beispielsweise, in Sachsen-Anhalt und in Baden-Württemberg, müssen Azubis heute immer noch Schulgeld für ihre Ausbildung in einem Gesundheitsberuf zahlen. Diese Länder konnten sich bisher nur zu mageren Zuschüssen durchringen.
Dazu muss man allerdings auch wissen, dass Schulgeld nur noch in privaten Ausbildungseinrichtungen verlangt wird. Doch deren Anteil an der Ausbildung, gerade in Gesundheitsberufen, ist erheblich. Mehr als 60 Prozent aller Ausbildungsgänge in den Gesundheitsberufen finden in privaten Ausbildungsstätten oder als rein schulische Ausbildung statt. Auf diese Ausbildungsplätze muss aber auch weiterhin zurückgegriffen werden, weil staatliche Schulen nicht über genügend Kapazitäten verfügen.
Summen von 15.000 Euro und mehr mussten und müssen teilweise immer noch beispielsweise Azubis in die dreijährige Ausbildung zu Ergotherapeuten oder Physiotherapeuten investieren, neben den üblichen Lebenshaltungskosten. Ein Unding in Anbetracht dessen, dass ein Medizin-Studium in Deutschland komplett kostenlos abgewickelt werden kann.
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