Umkleidezeiten auch bei Urlaub und Krankheit

Umkleidezeiten auch bei Urlaub und Krankheit

Umkleidezeiten auch bei Urlaub und Krankheit

Die Arbeitszeit ist kostbar. Vor allem Arbeitgeber versuchen hierbei immer das Optimum zu erlangen. Schließlich schulden sie für die vereinbarte Zeit das entsprechende Entgelt. Wohl gerade deshalb stößt die Thematik der Umkleidezeiten immer wieder auf Kontroversen. Dabei haben sich die zuständigen Arbeitsgerichte aller Instanzen schon ausführlich mit verschiedensten Konstellationen des Streits beschäftigt.

Auch im Urlaub und bei Krankheit wird die Umkleidezeit berücksichtigt

Es ist inzwischen anerkannt, dass Umkleidezeiten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehören, soweit das Tragen von bestimmter Arbeitskleidung Pflicht ist und diese erst im Betrieb angelegt werden kann oder soll. 

Soweit aber ein Tarifvertrag für Umkleidezeiten eine Zeitgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers vorsieht, so muss diese auch während Krankheit und Urlaub berücksichtigt werden. Das  entschied kürzlich das Landesarbeitsgericht Nürnberg (LAG Nürnberg, AZ: 4 Sa 339/20). 

In dem dort behandelten Rechtsstreit hatte ein Rettungssanitäter die Gutschrift von 50,2 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto gefordert, die ihm bis dahin verwehrt worden war. Dabei regelt der zugrunde liegende Tarifvertrag, dass zur Arbeitszeit der Rettungssanitäter auch Zeiten zählen, die der Arbeit gleichstehen. Weiter ist festgeschrieben, dass Mitarbeiter des Rettungsdienstes für das An- und Ablegen der verpflichtend zu tragenden Schutzkleidung eine pauschale Zeitgutschrift von zwölf Minuten täglich erhalten.

Der in dem hier thematisierten Rechtsstreit Betroffene war im Zeitraum von 2017 bis 2020 an insgesamt 251 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitgeber berücksichtigte zwar die Krankheitszeiten auf dem Arbeitszeitkonto, nicht aber die Umkleidezeiten, die an diesen Tagen angefallen wären. Nach Ansicht des Arbeitgebers finden die tariflichen Regelungen nur im Rahmen geleisteter Arbeitszeit Berücksichtigung, nicht aber bei Urlaub oder Krankheit.

Das Gericht gab dem Kläger zwar letztlich recht, allerdings nur in einem Teil seiner Forderung. Demnach sei auf seinem Arbeitszeitkonto eine Gutschrift von 10,4 Stunden vorzunehmen. Der Anspruch auf Berücksichtigung der restlichen Stunden sei zu spät geltend gemacht worden und damit verfallen. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass zur dienstplanmäßigen Wochenarbeitszeit nach der tariflichen Regelung auch die Umkleidezeiten zählen. Ohne Berücksichtigung der Umkleidezeiten könne der Kläger bei Urlaub oder Krankheit die wöchentliche Arbeitszeit nicht erreichen. Der Arbeitnehmer hätte in diesem Fall ein negatives Arbeitszeitkonto.

Damit sind allerdings noch längst nicht alle Streitpunkte erledigt.

Bekanntlich sind über Tarifverträge und auch über den individuellen Arbeitsvertrag immer Konkretisierungen möglich. So auch bei der Vergütung für Umkleidezeiten. Allein die rechtliche Relevanz gilt es hiernach zu prüfen. Dazu war schlussendlich wieder das höchste deutsche Arbeitsgericht gefragt. Dort hat man, entgegen der Auffassung vieler Instanzengerichte, die Möglichkeit eines tariflichen Ausschlusses von Vergütungspflichten für Umkleidezeiten grundsätzlich bejaht (BAG, AZ: 9 AZR 574/15).

Inzwischen hat das Bundesarbeitsgericht auch entschieden, dass sogar ein einzelvertraglicher Ausschluss der Vergütungspflicht für Umkleidezeiten zulässig sein kann (BAG, AZ: 5 AZR 168/16). Allerdings muss der Arbeitsvertrag dabei klar benennen, was genau ausgeschlossen werden soll. Verwendet der Arbeitgeber hierbei anerkannte Rechtsbegriffe, so sind diese im Rahmen einer gerichtlichen Kontrolle auszulegen. Die allgemeine juristische Bedeutung der jeweils verwendeten Begriffe ist dann Maßstab für den wirksamen Ausschluss der Vergütungspflicht.

Im konkret behandelten Fall wurde im Arbeitsvertrag formuliert, dass die Umkleidezeiten als leistungsentgeltfrei zu betrachten sind. Die juristische Bedeutung des Begriffes Leistungsentgelt ist nicht identisch mit dem Begriff des Stundenentgelts. Auf dieser Basis aber erhielt der betroffene Beschäftigte seine Vergütung. Damit wurde die Vergütungspflicht von Umkleidezeiten mangels eindeutiger Bezeichnung nicht wirksam ausgeschlossen. Bei eindeutiger Bezeichnung wäre diese Formulierung gültig und damit der Ausschluss möglich gewesen.

Arbeitsschutz und Zeitaufwand

In § 3 Abs. 3 ArbSchG ist davon die Rede, dass Arbeitgeber die Kosten des Arbeitsschutzes zu tragen haben. Eine Vergütung stellt aber keine Kosten im Sinne des ArbSchG dar. Vielmehr sind damit die Beschaffungs- und Erhaltungskosten der Arbeitskleidung gemeint. Die Umkleidezeiten werden davon nicht erfasst.

Ist die Vergütung der Umkleidezeiten im Betrieb geregelt, so bleibt schlussendlich noch das individuelle Moment der dafür benötigten Zeit fraglich. Jedem Beschäftigten ist immer die Zeit zu vergüten, die er oder sie unter Ausschöpfung der persönlichen Leitungsfähigkeit  und im Rahmen der objektiven Gegebenheiten für das Umkleiden, sowie den Hin- und Rückweg benötigt. Wird also geltend gemacht, dass für das Umkleiden und die innerbetrieblichen Wege mehr als die pauschal festgelegte Zeit anfällt, kann notfalls gerichtlich ein Anspruch auf Festsetzung dieser Zeit durchgesetzt werden.

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Bild von Maria Moczydlak auf Pixabay