Fallstricke beim Thema Folgeerkrankung
Es zählt wohl mit zu den größten Errungenschaften in der deutschen Arbeitswelt, dass man auch bei einem Unfall oder bei einer Erkrankung finanziell abgesichert ist. In der heutigen Form gibt es diese Absicherung auch erst seit 30 Jahren. In früherer Zeit war es durchaus mit Risiken verbunden, dem Arbeitsplatz krankheitsbedingt fernzubleiben. Die finanzielle Absicherung bei Krankheit regelt nunmehr das Entgeltfortzahlungs-Gesetz (EFZG), daneben auch die speziellen Anwendungen zur Folgeerkrankung.
Dieses Gesetz bestimmt, dass der Arbeitgeber bis zu sechs Wochen lang das volle Gehalt weiter zahlen muss. Dabei sind diese 6 Wochen gleichgesetzt mit 42 Kalendertagen. Die Anzahl der tatsächlichen Arbeitstage ist hier unerheblich. Dauert die Krankheit länger als diese sechs Wochen, springt bei gesetzlich Versicherten die Krankenkasse ein.
Besonders „beliebt“ bei Arbeitgebern sind die Beschäftigten, die immer wieder für wenige Tage oder Wochen fehlen. Denn ihnen müssen sie ohne Unterbrechung das gesamte Gehalt zahlen, sofern die Krankheitsphase jeweils nicht länger als sechs Wochen dauert. Daneben gibt es auch noch die Kandidaten, die mehrfach hintereinander nach jeweils sechs Wochen eine erneute Erstbescheinigung einreichen lassen. Das sind die Fälle der sogenannten Folgeerkrankung. Dabei gibt es allerdings ein paar Regeln zu beachten, um finanzielle Einbußen zu vermeiden.
Mit einem solchen Fall musste sich vor geraumer Zeit das Bundesarbeitsgericht (BAG) auseinandersetzen und das Ergebnis lies aufhorchen (BAG, Az. 5 AZR 318/15): Nach dem vom BAG entwickelten Grundsatz der Einheit des Versicherungsfalles, ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Absatz 1 S. 1 EFZG auf die Dauer von sechs Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit beschränkt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht bei einer Folgeerkrankung nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, indem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führte.
In dem zu entscheidenden Fall konnte der Beginn der Folgeerkrankung nicht aufgeklärt werden.
Der Arbeitnehmer war wegen einer Entzündung der Wirbelgelenke für sechs Wochen arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Arbeitsunfähigkeit endete an einem Sonntag. An dem vorhergehenden Freitag hatte er noch einmal seinen Hausarzt aufgesucht, der sich dabei folgende Notizen machte: „Schulterschmerzen nehmen zu. Am Montag geht er zum Orthopäden“. Der Hausarzt sah sich nicht in der Lage, die Arbeitsunfähigkeit wegen der Schulterschmerzen beurteilen zu können. Am Montag war der Kläger dann tatsächlich beim Orthopäden, der den Arbeitnehmer ab sofort krankschrieb. Weil aber nicht aufgeklärt werden konnte, ob der Kläger schon am Freitag arbeitsunfähig war – also während der noch bestehenden ersten Arbeitsunfähigkeit -, konnte der Arbeitnehmer keine erneute Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber verlangen.
Das Bundesarbeitsgericht sah den Arbeitnehmer in der Beweispflicht dafür, dass die Folgeerkrankung erst auftrat, als die alte schon abgeklungen war. Diesen Beweis konnte der Kläger nicht führen.
In Fällen, in denen Arbeitsunfähigkeitszeiträume aneinander stoßen, muss also nicht der Arbeitgeber beweisen, dass sich die jeweiligen Gründe und Zeiträume überlappen. Vielmehr trägt der Arbeitnehmer die Beweislast dafür, dass er zwischenzeitlich gesund war. Wenn auch nur für eine kurze Zeit.
Zum gleichen Ergebnis und damit zur Bestätigung der Rechtsauffassung gelangte das höchste deutsche Arbeitsgericht auch in einem entschiedenen Fall jüngeren Datums. Der Sachverhalt war zwar etwas anders geartet, doch auch hier ist der Grundsatz der Einheitlichkeit des Verhinderungsfalls maßgebend: „Ist der Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig und schließt sich daran in engem zeitlichen Zusammenhang eine im Wege der „Erstbescheinigung“ attestierte weitere Arbeitsunfähigkeit an, hat der Arbeitnehmer im Streitfall darzulegen und zu beweisen, dass die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der weiteren Arbeitsverhinderung geendet hatte“ (BAG, 5 AZR 505/18).
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